Interview mit Christian Stiefelhagen im Rahmen der Internationalen Wochen gegen Rassismus

Anlässlich der Internationalen Wochen gegen Rassismus beteuert die Vorstandsvorsitzende der AWO Rhein-Oberberg Beate Ruland: „Für die AWO ist der Kampf gegen Rassismus und Rechtsextremismus eine ureigene Aufgabe. Auf der Basis ihrer Grundsätze stellt sie sich gegen jede Sichtweise, die Menschen nicht als Individuen anerkennt und pauschal aufgrund einer tatsächlichen oder zugeschriebenen Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe diskriminiert. Dafür wird sie sich auch in Zukunft mit ganzer Kraft und in Verbund mit vielen anderen Organisationen aus der Zivilgesellschaft einsetzen“.

Im Rahmen der Aktionswochen wollen wir ein Zeichen gegen Rassismus setzen. In diesem Jahr haben wir neben verschiedenen Aktionen in den AWO Kindertagesstätten und dem AWO UFO Jugendkulturhaus ein Interview mit dem Leiter der Flüchtlingshilfe Engelskirchen, Christian Stiefelhagen, geführt. Bereits 2019 haben wir zum Internationalen Tag gegen Rassismus eine gemeinsame Veranstaltung durchgeführt. Mit dem Interview in diesem Jahr wollen wir noch einmal auf deren wichtige Arbeit vor Ort aufmerksam machen und verdeutlichen, dass die AWO Rhein-Oberberg das Engagement des Vereins unterstützt.

Int Tag gegen Rassismus 2019

Wie ist Ihr Verein personell aufgestellt? Haben Sie haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter*innen?

Der Verein hat 56 Mitglieder, von denen ca. 20 aktiv in der Betreuung der Flüchtlinge sind. Hauptamtliche Mitarbeiter*innen hat der Verein nicht; die Zusammenarbeit mit der Gemeinde Engelskirchen ist ausgezeichnet.

Wie viele geflüchtete Menschen betreuen Sie zurzeit?

Wir betreuen zurzeit 186 Flüchtlinge, von denen etwa die Hälfte Kontakt zu Vereinsmitgliedern hat. Wir arbeiten mit den Menschen nicht nur im unmittelbaren Kontakt, sondern betreiben außerdem ein Lager mit Textilien und Möbeln sowie eine Fahrradwerkstatt. In der letzten Woche haben wir 9 Flüchtlinge aus einem griechischen Lager zugewiesen bekommen, die zum Teil erheblich traumatisiert sind.

Welche Angebote zur Integrationsförderung gibt es? Was ist für Sie dabei besonders wichtig?

Deutschkurse werden zusammen mit der VHS durchgeführt, eine Hausaufgabenhilfe durch pensionierten Lehrer*innen findet im Ankommenstreff in den Räumen der evangelischen Kirche statt, alle 14 Tage findet sonntags in der AWO am Aggerstrand ein gemeinsames Kaffeetrinken der Bürger*innen von Ründeroth und den Flüchtlingen statt. Darüber hinaus gibt es einen Fahrdienst zur Vorratskammer Ründeroth. Einmal im Jahr gibt es das inzwischen schon traditionelle Treffen unter dem Motto „Engelskirchen lernt sich kennen“. Dabei kochen die Flüchtlinge für die Bürger*innen. Daneben gibt zu Weihnachten einen Gottesdienst in der katholischen Kirche in Ründeroth mit einem Frühstück für alle. Besonders wichtig sind der persönliche Kontakt und die Nähe zu den zu betreuenden Personen. Dies alles machen wir, wenn keine Corona-Beschränkungen vorliegen.

Wie wird der Kontakt seit der Corona-Pandemie aufrechterhalten? Finden Sprachkurse, Austausch etc. nun digital statt? Was sind besondere Herausforderungen für Ihre Arbeit seit Beginn der Pandemie?

Der persönliche Kontakt hat durch die Pandemie schon gelitten. Gemeinschaftsveranstaltungen fallen völlig aus. Digitale Veranstaltungen mit den Flüchtlingen finden nicht statt. Es mangelt da oft an technischen Mitteln, überfordert aber auch den Verein. Es ist allerdings weitestgehend gelungen, Schüler und Schülerinnen so auszustatten, dass sie im Homeschooling teilnehmen können. Es ist schon komplex, mit allen Aktiven Vorstandsitzungen und Betreuertreffen mit der notwendigen Qualität innerhalb des Vereins zu organisieren.

Welche Erfahrungen haben Sie bei der Integrationsarbeit gemacht (positive/negative)?

Neben dem Deutschunterricht ist die Bewältigung des täglichen Lebens zurzeit Schwerpunkt. Das bedeutet die Begleitung bei Behördengängen und Arztbesuchen sowie das Fertigen von Schreiben und Anträgen. Die Erfahrungen sind äußerst positiv. Die Menschen sind sehr dankbar. Trotzdem gibt es immer wieder einzelne Ausreißer*innen, deren Interesse an Integration unter ihrem mangelnden eigenen Engagement leidet. Insgesamt gibt es eine große Bereitschaft, einen Weg in unsere Gesellschaft zu finden. Abkapselungen sind kaum zu beobachten.

Erhalten Sie langfristig Rückmeldungen von den Menschen? Über welche Zeiträume stehen Sie in Kontakt?

Eigentlich reißt der Kontakt zu den Personen, die ich als integriert bezeichnen würde, dann doch schnell ab. Sie betrachten sich als wertige Mitglieder dieser Gesellschaft und haben sehr schnell verstanden, wie diese Gesellschaft tickt. Einige sind in Ausbildung, beziehungsweise im Beruf, Kinder in den Kitas, die Jugendlichen in den Schulen und gehen neue Beziehungen ein. Das ist ja auch natürlich so. Der engste Kontakt ist in den ersten sechs Monaten des Aufenthaltes in Engelskirchen. Dann verliert sich das bei den Meisten spürbar. Natürlich sind mit der Zeit auch Freundschaften entstanden und so gibt es auch eine Reihe von Personen, die immer mal wieder vorbeikommen.

Sprechen die geflüchteten Menschen über Erfahrungen mit Rassismus in Deutschland? Wie denken sie über Stereotype?

Seltsamerweise sprechen die Menschen ganz selten über ihre Erfahrungen mit Rassismus. Das mag vielleicht auch daran liegen, dass niemand negativ auffallen möchte. Bei Nachfrage fühlen sie sich gut behandelt, mit Ausnahme einiger junger Flüchtlinge. Das mag durchaus an einem nicht immer angepassten Verhalten liegen. Insgesamt sehe ich keinen offenen, die Betroffenen unmittelbar angehenden Rassismus in Engelskirchen. Einzelne im Ort bekannte Querdenker fallen aber auch hier auf. Wir haben darüber hinaus den glücklichen Umstand, dass der Bürgermeister sich um die Integration kümmert. So haben beim letzten Gemeindeempfang Flüchtlinge auf eigenen Wunsch das Catering mit selbst zubereiteten landesüblichen Speisen und den Service mit Getränken übernommen. Hier gab es für viele Bürger*innen einen erstmaligen Kontakt mit geflüchteten Menschen. Das war ein regelrechter Befreiungsschlag gegenüber einigen Vorurteilen und wirkt bis heute nach.

Wie kann man Ihrer Meinung nach Rassismus im Alltag bekämpfen?

Man kann dem Rassismus im Alltag aus meiner Sicht nur begegnen, wenn man mutig und deutlich Stellung bezieht. Das ist manchmal nicht einfach, hat aber nach meiner Erfahrung nach meistens sehr schnell Unterstützer*innen zur Folge, die dann auch den Mut haben, sich entsprechend zu positionieren. Bei diesem Thema ist der oft gebrauchte Begriff „klare Kante“ sehr angebracht.

Wie kann man Ihre Arbeit unterstützen?

Wir suchen nach wie vor Betreuer*innen, die sich in der oben beschriebenen Integrationsarbeit engagieren. Sei es nun bei Behördengängen etc. oder bei der Betreuung von Familien. Da wird auch niemand ins kalte Wasser geworfen. Erfahrene Kräfte führen in die Arbeit ein.

Weitere Informationen finden Sie unter: www.fluechtlingshilfe-engelskirchen.de

 

AWO gegen Rassismus



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